Obernkirchen. Wem bei Spaziergängen auf dem Bückeberg in den kommenden Wochen kleine, unscheinbare Frösche über den Weg hüpfen, der wird kaum ahnen, dass es sich dabei um die seltenen Gelbbauchunken (Bild) handelt. Die sandgrauen Hüpfer geben sich nämlich erst zu erkennen, wenn sie sich angegriffen fühlen. Dann werfen sie sich auf den Rücken und warnen ihre Feinde mit der schwarz gefleckten gelben Bauchseite, aus denen eine giftige Flüssigkeit austritt, um hungrigen Feinden den Appetit zu verderben. Auf dem Bückeberg haben sie ausgesprochenen Seltenheitswert, denn eigentlich sind diese Unken Süd- und Mitteleuropäer, die sich nirgends in der Welt so weit in den Norden vortrauen wie auf dem schmalen Streifen zwischen dem ehemaligen Nato-Gelände, den Obernkirchener Sandsteinbrüchen und den Liekweger Steinbrüchen.
1999 gab es nur 80 Exemplare Allen Unkenrufen zum Trotz hat sich diese zoologische Rarität dort innerhalb weniger Jahre zu einem der größten Vorkommen in Niedersachsen entwickelt, wie Bruno Scheel vom Vorstand des Naturschutzbundes (NABU), Kreisverband Schaumburg, im Anschluss an die Jahresversammlung der Auetaler Ortsgruppe berichtete. Gemeinsam mit dem Artenschutzreferenten Holger Buschmann vom NABU-Kreisverband hatte Scheel 1999 nur noch etwa 80 dieser streng geschützten Froschlurche auf dem Bückeberg gezählt. Das damals gestartete Schaumburger Amphibien- und Reptilienschutzprojekt trägt Früchte: Inzwischen freuen sich beide über mehr als 1000 gelbbauchige Unken.
Weil die Artenschützer mit Unterstützung des Landkreises Schaumburg viel unternommen haben, um den Lebensraum der Mini-Unken zu verbessern, stehen die Chancen gut, dass sich der Bückeberg zu einem viel beachteten Vorzeigerevier der Gelbbäuche entwickelt, deren Entwicklung künftig von einem zehnjährigen wissenschaftlichen Forschungsprogramm begleitet werden soll. So lange wollen Buschmann und Scheel jedes Jahr im Mai und September den Bestand zählen, das Laichverhalten studieren und Wanderungsbewegungen dokumentieren.
Dabei hilft ihnen eine Besonderheit dieser Lurche. Weil jedes schwarze Fleckenmuster auf jedem gelben Bauch so einmalig ist wie ein menschlicher Fingerabdruck, können sie jedes Tier wieder erkennen, das sie einmal fotografiert und registriert haben.
Allerdings kommen beide bei ihrer Arbeit immer wieder in Erklärungsnöte, denn eigentlich haben Gelbbauchunken auf dem Bückeberg überhaupt nichts zu suchen. Ursprünglich sind diese Amphibien Uferbewohner von Auen und Flüssen, die dort erst auswanderten, als der Mensch die Ufer begradigte und ihnen mit steilen Böschungen den Lebensraum nahm. Diesen fanden die Unken auf Truppenübungsplätzen, in Steinbrüchen und in Abbaugebieten von Lehm und Sand wieder. Problem für die Naturschützer: Inzwischen müssen sie eingestehen, dass sich die immer wieder verteufelten Abbauflächen zu idealen Rückzugsgebieten für seltene Tiere und Pflanzen entwickelt haben. Und noch ein kurioser Aspekt: Die Gelbbauchunken mögen nicht die üblichen Feuchtbiotope und gehen solchen Flächen aus dem Weg, wo sich in stillgelegten Steinbrüchen wieder eine dichte Pflanzenvielfalt entwickelt hat. Wie Scheel weiß, brauchen seine Forschungsobjekte so genannte Rohbodentümpel. Das sind Kleinstgewässer, in denen sich noch keine Pflanzen und andere Tiere angesiedelt haben. Das sind etwa die Pfützen in Fahrspuren schwerer Steinbruchmaschinen und großer Forstmaschinen.
Und weil auch diese schnell wieder zuwuchern, müssen die Naturschützer jetzt immer wieder mit Traktoren den Boden förmlich "kaputtfahren" lassen, um so künstliche Laichgewässer zu schaffen. Mehr noch: In einigen Bereichen der Liekweger Steinbrüche hat die natürliche Aufeinanderfolge verschiedener Pflanzengesellschaften (Sukzession) so stark zugenommen, dass diese sich in dicht bewachsene Fichtenschonungen verwandeln. Dort müssen die Naturschützer stellenweise die natürliche Renaturierung stoppen und Büsche und Bäume wieder herausreißen.
Für Naturschützer wie Scheel und Buschmann sind solche künstlichen Eingriffe in die Natur eine ständige Gratwanderung zwischen ihrer Überzeugung und der Einsicht, dass es ohne menschliche Unterstützung für viele Tiere und Pflanzen keine Überlebenschance gibt. Den Gelbbauchunken würde Scheel es wünschen, wenn sie in Bach- und Flussauen wieder wirklich natürliche Lebensbedingungen vorfinden würden.
Eine gründliche Renaturierung der Bachläufe gehört darum zu den Forderungen des Naturschutzbundes, dessen örtliche Mitglieder sich für die Bückeburger Aue den Rückbau steiler Uferböschungen wünschen.
Schaumburger Nachrichten vom 23. Februar 2006